Donnerstag, 3. April 2008

In der Südsee Teil 1

Na schön, ich war nicht wirklich in der Südsee, aber damit zieht man Aufmerksamkeit auf sich und Okinawa ist zumindest auf der Höhe von Dubai. Außerdem gibt es dort Sandstrände, Palmen und warmes Meer, also ist es nicht ganz so verschieden von der Südsee.
Nun denn, ich war insgesamt 6 Tage (schon vor längerer Zeit) mit Svenja und Sara eben auf Okinawa (-->Kanji) der Hauptinsel des Ryukyu-Archipels und der Präfektur Okinawa.


Kurze Unterbrechung:

Am Weg zum Flughafen in Kobe bin ich an der Mittelschule neben meinem Wohnheim vorbeigekommen, wo anscheinend gerade die Abschlußzeremonien für die Absolventenklasse im Gang war. Die Absolventen sind beim Herauskommen aus der Schule an ihren jüngeren Kollegen (die Spalier standen) vorbeigelaufen, einige haben sich am Weg verbeugt, und es war recht ausgelassen, obwohl es sehr klein im Vergleich zu den Abschlußfeiern der Oberschulen ist. Diese sind vergleichbar mit unseren Maturantenverabschiedungen und die Mädchen tragen dort sehr farbenfrohe traditionell angehauchte Kostüme.
Leider habe ich das Ganze nur sehr am Rande mitbekommen, da ich meinen Flug erwischen mußte. Wen es aber interessiert (und der englisch kann) Azrael hat auf seiner Seite sehr ausführlich über den offiziellen Teil einer Mittelschulenabschlußfeier berichtet, da er an mehreren unterrichtet hat.



Doch zurück auf die Insel:

Übernachtet haben wir in einem Jugendgästehaus/herberge, welches für ein Jugendgästehaus an sich und vor allem in Japan ungewöhnlich war. Zum einem gab es die Möglichkeit, daß sich Männer und Frauen gemeinsam ein Privatzimmer teilen, die Zimmer selbst (auch die Gemeinschaftszimmer) waren nicht nur sehr sauber sondern auch recht neu eingerichtet und alles in allem war es vom Komfort und der Atmosphäre eher wie ein kleines Hotel, doch der Preis war immer noch äußerst klein.




Als erste große Station waren wir auf Schloß Shuri im Osten der Hauptstadt Naha. Shuri war in der Schlacht von Okinawa einer der am stärksten umkämpften Schauplätze, wodurch das Schloß praktisch vollständig zerstört wurde. Vor allem, da die Amerikaner, um die Verteidigung zu durchbrechen, das Schloß bombardierten und die Mauern mit großkalibrigen, panzerbrechenden Granaten von den Kriegsschiffen aus beschossen, wobei aber entgegen der Vorstellung nicht einige wenige, sondern angeblich weit über hundert Granaten benötigt wurden, um die Mauer zu knacken. Dies lag wohl einerseits an der sehr guten Bauleistung bei der Errichtung der Mauern, und andererseits an der Tatsache, daß diese nicht senkrecht, sondern schräg in die Höhe gezogen wurden, wodurch die Granaten abprallen und nicht ihre volle Wirkung erzielen können (deswegen wird bei Panzern die Panzerung im allgemeinen auch abgeschrägt).
Bevor jetzt böse Worte in Richtung Amerika gesprochen werden: Für die Zerstörung von Shuri gebe ich den Amerikanern keinerlei Schuld, sondern den Japanern. Nicht nur, daß weite Teile der Anlage schon seit der Meiji-Zeit dem Verfall preisgegeben wurden haben die Japaner das Schloß jahrzehnetlang als Kasernenanlage verwendet, und es diente zur Zeit des 2.Weltkriegs darüberhinaus als Hauptquartier der Streitkräfte der Präfektur Okinawa und darum herum. Dadurch wurde es zu einem legitimen militärischen Angriffsziel und sogar zu einem Primärziel, das man praktisch angreifen muß. Ich hätte es anstelle der amerikanischen Führung auch getan.
Wofür ich den Amerikanern die Schuld gebe ist die Zerstörung der weiter südlich gelegenen königlichen Gärten (über welche ich später berichte), die bei einem strategischen Luftangriff auf Okinawa bereits im November '44 praktisch vollständig vernichtet wurden, denn diese hatten absolut keine militärische Bedeutung und sind einfach draufgegangen, weil sie eben zufällig auf dem Weg lagen (von den zivilen Opfern nicht zu reden).
Zum Glück wird schon seit Jahrzehnten, mit großen Investitionen, an der Restaurierung der alten Kulturschätze gearbeitet, sodaß heute (nach ca. 30 Jahren) die königlichen Gärten wieder in ihrer vollen Pracht zu bewundern sind, und auch Schloß Shuri ist, bis auf Teile des innersten Hofes und die Gemächer, wiederhergestellt, und zwar in seiner ursprünglichen Form zur Zeit des Königreichs vor der Meiji-Restauration.


Natürlich hatte der Daimyo der Provinzen des mittleren Westens, bei seinem Besuch der Präfektur Okinawa auch eine Audienz bei seiner Majestät, dem König. Selbstverständlich hat der Daimyo sich zu diesem Zweck um den König seinen Respekt zu erweisen, zusammen mit zwei Hofdamen, die ihn auf der Reise begleiten, in die traditionellen Gewänder der Insel gekleidet.




Gut erkennbar: Der Unterschied zwischen den alten Steinen, die die Schlacht überstanden haben, und den bei der Restaurierung verwendeten.




Eine Zeichnung der gesamten Anlage




Eine Zeichnung des inneren Hofs














Ein "Problem" auf Okinawa, speziell Naha, ist, das es offensichtlich ein Lieblingsziel von amerikanischen Touristen ist (ich habe nirgenwo sonst in Japan so viele gesehen), weswegen Nahas Haupstraßen vollgestopft sind mit Geschäften (in Richtung Touristenfalle), die natürlich ganz besonders auf den Geschmack amerikanischer Touristen abgestimmt sind. Leider benehmen sich viele auch so, wie es dem Klischee des ungehobelten amerikanischen Touristen entspricht. Dazu kommen auch noch die auf Ausgang befindlichen Mitglieder der auf Okinawa stationierten US-Navy, die sowieso nicht den besten Ruf auf der Insel haben.

Wie schon in einem anderen Bericht erwähnt, besitzt die okinawische Küche viele Spezialitäten und Abweichungen von der japanischen "Haupt"küche. Unter anderem haben wir es, aufgrund eines Tips eines anderen Reisenden, geschafft ein kleines nicht touristisches Restaurant in einer Seitengasse zu finden. Ähnlich wie mein geliebtes Sushi-Lokal wird es von einer alten Mutter und ihrer Tochter geführt, wobei vor allem die Tochter sehr aufgeregt war, "echte" Gaijin, welche auch noch japanisch können, zu bewirten. Unnötig zu sagen, daß wir den ganzen Abend (ca. 4 Stunden lang!) die einzigen Ausländer im Lokal waren. Das Essen war wirklich hervorragend, auch weil wir einiges an "Sabisu": Service in Aussprache von Japanern, das im Restaurant Gratisessen bedeutet, bekommen haben.


Wer hat gesagt, daß man rohes Fleisch nicht essen kann?






Dieses Photo stammt von einem Werbeplakat für ein alljährlich im Herbst in Naha stattfindendes Festival, bei dem ein riesiges verknotetes, handgeflochtene Seil durch die Straßen getragen wird (auf dem Photo erkennbar). Die Kanji von Okinawa bedeuten soviel wie "Seil im Meer (reingeworfen" woher wohl die Tradition stammt. Aufgrund seiner Größe hat das Seil auch im Guinnes Buch der Rekorde einen Eintrag.





Interessante (und lustige) Fakten/Meinungen über Japan:

Das Schuljahr in Japan wird in sogenannte Trimester, also drei Semester anstelle von 2 Halbjahren, unterteilt (erst an der Universität ändert es sich zu 2 Semester), wobei es am 1.April beginnt und offiziell am 31. März des darauffolgenden Jahres endet. Offizielle Ferien sind einheitlich 2 Wochen zu Neujahr, 2 Wochen Ende März Anfang April (ca. Semesterferien) und 6 Wochen Ende Juli/Anfang August, darüberhinaus gibt es die nationalen Feiertage und ab und zu je nach Schule freie Tage. Wie schon öfters erwähnt, kommen die Schüler aber auch in den Ferien in die Schule wegen ihren Klubs bzw. gibt es auch in den Ferien manchmal schulbezogene Veranstaltungen, zum Beispiel besuchen die Oberschüler in den Sommerferien, zwecks Auswahlentscheidung, verschiedene Universitäten.
Das Schulsystem an sich wird oft als 6-3-3-4 bezeichnet. Sechs Jahre Volksschule, gefolgt von 3 Jahren Mittelschule, womit die allgemeine Schulpflicht von 9 Jahren endet. Dennoch besuchen beinahe alle Schüler (geschätzte 95%) eine Oberschule, für welchen Zweck sie aber erst eine Aufnahemprüfung bestehen müssen, welche oft, je nach Schule, äußerst hart ist. Daher verbringen viele Mittelschüler im letzten Jahr einen Großteil ihrer Zeit mit dem Lernen für die Aufnahmeprüfung.
Nach der dreijährigen Oberschule wird von vielen ein 4-jähriger Bachelorkurs an einer Uni absolviert (wiederum mit strengen Aufnahmeprüfungen), die anschließenden Master- bzw. Doktorkurse besuchen nur sehr wenige Studenten, weswegen diese nicht mehr zum 6-3-3-4 gerechnet werden.



Zur Zeit des Ryukyu-Königreichs waren Naha und Shuri zwei getrennte Städte, wobei Shuri mit dem Schloß Hauptstadt, und Naha die dazugehörige Hafenstadt war (vergleiche Rom-Ostia). Über die Zeit sind sich die beiden Städte aufgrund der Bevölkerungszunahme immer näher gekommen, bis sie praktisch zu einer Stadt verschmolzen. Schon vorher wurde aber in der Meiji-Restauration und mit der Einrichtung der Präfektur Okinawa, Naha zur Hauptstadt gemacht, vermutlich um den Übergang zu einer neuen Epoche zu kennzeichnen, in der die wichtigste Stadt nicht mehr die Stadt des ehemaligen Königs, Shuri, sondern die Hafen- und größte Stadt, Naha ist.

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