Donnerstag, 30. Juli 2015

Die Insel der 9 Regionen - Kyûshû

Die letzte Etappe auf meiner Reunionstour war, wie erwähnt, die Hauptinsel im Westen: Kyûshû (九州). Der Name steht für die ursprünglichen neun Provinzen der Insel. Im Zuge der Modernisierung Japans wurde die Anzahl auf sieben verkleinert und die Inseln Tsushima und Ike, im Nordwesten von Kyûshû, verloren ihre Eigenständigkeit und wurden eingegliedert.
Übernachtet habe ich in Fukuoka, mit ca. 1,5 Mio. Einwohner die größte Stadt der Insel, wobei man übrigens nicht mit dem Zug nach Fukuoka fahren kann, es gibt nur die Station Hakata. Die moderne Stadt Fukuoka entstand durch die Zusammenlegung der Städte Fukuoka und Hakata, wobei Hakata den Hafen und Geschäftsbezirk innehatte (sowie eher die kulturellen Einrichtungen) und Fukuoka die Wohnstätte der Oberschicht v.a. der Samurai war. Soweit ich verstanden habe wurde bei der Versammlung zur Namensfestlegung eigentlich Hakata bestimmt, aber eine Gruppe (ehemaliger) Samurai soll sie gestört und die Versammelten gezwungen haben Fukuoka zu wählen.
So blieb Hakata als Name für den Bezirk auf Boden der ehemaligen Stadt (auch heute noch das Geschäftsviertel), den örtlichen Dialekt und interessanterweise (ich habe nicht herausgefunden warum) für den Bahnhof. Insbesondere für Ausländer, aber nicht nur für diese, kann das zu Verwirrung führen, wenn man nach Fukuoka will und der Shinkansen hat nur die Haltestelle Hakata. Es ist in Österreich vergleichbar mit dem Bahnhof Bruck an der Leitha, der eigentlich in Bruckneudorf liegt.
Fukuoka ist (selbst für japanische Verhältnisse) eine sehr schöne und grüne Stadt, wobei sie weniger durch historische oder kulturelle Stätten besticht (abgesehen von den Festivals) sondern v.a. auch durch ihre Internationalität. Kyûshû war immer schon erste Anlaufstelle für Reisende aus dem Süden und Westen, in erster Linie China und Korea, und damit ist Fukuoka heute DER Transit-Hub für Ostasien. Auch das Essen ist hervorragend, besonders bekannt dabei ist die lokale Spezialität Hakata-Ramen, eine Variante von Tonkotsu-Ramen, die in Japan als eine der besten regionalen Ramen-Versionen gilt.


Wie jeder weiß, der schon einmal mit mir über Japan gesprochen oder diesen Blog gelesen hat, bin ich ein absoluter Onsen-Fan, fast schon ein Fanatiker. Daher bin ich natürlich auch in die Stadt Beppu (Präfektur Oita) gefahren, die in einer großen Bucht an der Ostküste der Insel liegt. Sie ist wohl der berühmteste Onsen-Ort von ganz Kyûshû und lockt zahlreiche Touristen an, da sie die Kombination aus Onsen und Meer bietet und recht leicht erreichbar ist. Bei knapp über 100.000 Einwohnern hat Beppu über 10 Mio. Touristen jedes Jahr (übrigens stammt ein Freund von mir, Mitsuru Mihara, auch aus Beppu).
Beppu ist speziell aufgrund der schieren Anzahl von Onsen, da sich in dieser Region faktisch auf einen Fleck acht Thermalquellen finden und die ganze dadurch Stadt eigentlich eine riesige Thermalquelle ist. Das merkt man schon beim Aussteigen am Bahnhof, da man sofort den unverwechselbaren Duft von Schwefel bemerkt (Hinweis: faule Eier), wobei anscheinend besonders im Winter die ganze Stadt praktisch dampft. Neben den normalen Onsen gibt es auch noch die "8 Höllen", Quellen benannt nach ihrem Aussehen und der buddhistischen Höllenvorstellung. In diesen acht kann man aufgrund ihrer Wasserzusammensetzung nicht baden, aber sie haben teils eine sehr schöne Färbung (persönlich finde ich, zahlt es sich aber nur wirklich aus die Meereshölle mit ihrem blauen und die Bluthölle mit ihrem rostroten Wasser anzuschauen. Vielleicht auch noch die Mönchskopfhölle mit blubberndem Schlamm). In einer Quelle kommt das Wasser mit 98° Celsius aus der Erde, so daß es eine beliebte Touristenattraktion ist, sich ein Ei direkt in der Quelle zu kochen (es gibt auch andere, in der Quelle gekochte, Snacks zu kaufen).

Zwei Photos von der "Wasser-Hölle":






Ich habe mit dem Shinkansen auch einen Abstecher nach Kagoshima gemacht, dem absoluten westlichen Endpunkt des Zugs und dem südwestlichsten Punkt der Hauptinseln. Da Kyûshû als Ursprung von Shôchû gilt (=leicht destillierte japanische Alkoholika) und besonders Kagoshima für seinen (Süß-) Kartoffel-Shôshû bekannt ist, mußte ich diesen selbstverständlich probieren.
Ich glaube, ich bleibe doch lieber bei Sake.

Ich wollte auch den größten aktiven Vulkan Japans, den Aso, der sich ziemlich genau in der Mitte von Kyûshû befindet, besuchen (inklusive der genialen Onsen), aber leider wußte ich nicht, daß man das Busticket mind. 1 Woche im Voraus buchen muß. Daher ist es mit dem Trip zum Vulkan nichts geworden (für dieses Mal!).
Stattdessen bin ich zum Abschluß mit dem Bus zu einem anderen Onsenressort irgendwo im Nirgendwo gefahren, um noch ein bißchen die Natur zu genießen. Und wie so oft am Land in Japan sieht man in den Gesichtern der Bewohner die Frage: Ein Ausländer? Hier?

So sieht übrigens ein Bambuswald aus der Ferne aus:




Nach dem Besuch auf Kyûshû bin ich für die letzte Nacht zurück nach Tôkyô, wo ich in der Wohnung eines Freundes und seines Freundes übernachtet habe. Selbstverständlich haben wir uns einen gemütlichen Abend gemacht und sind früh schlafen gegangen, schließlich mußte ich in der Früh schon zum Flughafen, und außerdem, was soll man am einem Samstagabend in Tôkyô sonst schon machen?
Jedenfalls bin ich dann am nächsten Tag, Sonntag, wieder zurück nach Österreich geflogen, und es war wunderbar die Zeit praktisch um 5 Jahre zurückgedreht zu haben, auch wenn 15 Tage viel zu wenig war.

Allerdings wird der Blog an dieser Stelle nicht wieder geschlossen, es war nämlich nicht mein letzter Trip nach Japan in den letzten Jahren, he he, es gibt noch mehr. Denn der Daimyo der Provinzen des Mittleren Westens hat beschlossen sich wieder mehr und direkter um seine Lehen zu kümmern!



Interessante (und lustige) Fakten/Meinungen über Japan:

Kyûshû (九州). Westlichste (und südlichste) der vier Hauptinseln und seit jeher Japans Tor zu Welt.
Denn Kyûshû gilt als eine der Einwanderungsrouten des modernen japanischen Menschen, der Norden Japans wurde erst spät in das japanische Reich eingegliedert und im Osten lag nur der endlose pazifische Ozean. Von Kyûshû aus wurde der Kontakt zum großen Reich der Mitte, dem Kaiserreich China, und dem Reich Korea gehalten, hier wurden die beiden Invasionsversuche der Mongolen abgewehrt, hier kam es zum ersten Kontakt mit den Europäern (Portugiesen), hier wurde der Handel mit dem Westen betrieben und hier waren die einzigen Handelspunkte in den 250 Jahren der japanischen Abschottung (für Europa mittels den Niederländern auf der künstlichen Insel Dejima in der Bucht von Nagasaki). Wobei ich Handel mit den Ainu nicht dazuzähle. Und hier fand mit Nagasaki auch der zweite Einsatz der Atombombe (in diesem Fall: Plutonium-Kernspaltungsbombe, "Fat Man") statt.
Wobei eigentlich Kokura (heute: Kitakyûshû) das Primärziel war (und Sekundärziel für Hiroshima), das aber wegen schlechter Sicht nicht anvisiert werden konnte. Trotz der größeren Sprengkraft der Nagasaki-Bombe richtete sie weit weniger Schaden als ihr Gegenstück in Hiroshima an, da sie über einer Talsenke zündete und die Hügel den Rest der Stadt relativ gut schützten.

Noch ein interessantes Detail zum Erstkontakt von Japan mit Europäern: Dieser fand auf der Insel Tanegashima statt, wo Japaner auch zum ersten Mal moderne Arkebusen und Musketen sahen, weswegen für Jahrhunderte Feuerwaffen dieser Art als Tanegashima-Gewehre bezeichnet wurden.

Auf Kyûshû residierte auch einer der mächtigsten Clans der japanischen Geschichte, der Shimazu Clan, besser bekannt unter den Namen seines größten und wichtigsten Lehen: Satsuma (im SW der Insel mit der Hauptstadt Kagoshima). Obwohl in der entscheidenden Schlacht um die Vorherrschaft Japans bei Sekigahara (sozusagen zwischen West und Ost) auf der Verliererseite blieb er sehr mächtig. Das lag vor allem anderen daran, daß er mit seinen Lehen auf Kyûshû am weitesten entfernt vom Machtzentrum der Tokugawas, Edo, stationiert war. Zudem war es schwer für das Shogunat, einen derart einflußreichen und weit entfernten Clan zu entmachten, insbesondere da die Satsuma/ Shimazu viele der Politiken des Shogunats konsequent umsetzen. Auch eroberten sie, mit Erlaubnis des neuen Shogunats, Anfang des 17. Jahrhunderts das Ryûkyû Königreich mit der Hauptinsel Okinawa und machten es zu einem Vasallenstaat (allerdings nicht offiziell sondern eher "versteckt", da das Kaiserreich China ebenfalls Machtanspruch erhob und nicht verstimmt werden durfte).
Dennoch blieb der Clan "im Herzen" immer ein Gegner des Shogunats und war auch 250 Jahre später einer der Hauptakteure und wichtigsten Kriegsteilnehmer beim Sturz des Shogunats und Wiederherstellung der kaiserlichen Macht.
Und doch rebellierten die Satsuma gegen die neue Regierung im Jahre 1877, da sie mit vielen Entscheidungen, insbesondere Modernisierungen im gesellschaftlichen und sozialem Bereich, nicht einverstanden waren. Eigentlich kam es zu mehreren Samurai-Aufständen im ganzen Land, da diese ihren privilegierten Status und ihr traditionelles Einkommen verloren, aber die sogenannte Satsuma Rebellion (oder besser: Die Rebellion/ der Bürgerkrieg im Südwesten) war der letzte und schwerste Aufstand dieser Art. Die Ereignisse bildeten auch den historischen Hintergrund für den Film "The Last Samurai" mit Tom Cruise.
Jedenfalls wurde mit der Niederschlagung der Satsuma Rebellion (die auch die Regierung viel kostete), auch Kyûshû endgültig unter die Zentralgewalt gestellt und sie kennzeichnet das tatsächliche Ende der Kaste der Samurai. Der Clan selbst hat die Rebellion überstanden und wurde dennoch in hohen Ehren und offiziellen Positionen gehalten, aber es bestand kein Zweifel mehr an der absoluten Entscheidungsgewalt des zentralen Kabinetts.