Montag, 5. Mai 2008

Mein Herrschaftssitz

Wie meine geneigten Leser wissen, regiere und verwalte ich als Daimyo die mir anvertrauten Provinzen von der schönen Stadt Kobe aus, welche damit meinen offiziellen Verwaltungssitz darstellt. Sie ist mir einfach lieber als das große Osaka aber dennoch nahe genug an allen wichtigen Stellen um für eine effiziente Verwaltung zu sorgen. Heute will ich aber über meinen eigentlichen Herrschaftssitz berichten: Schloß Himeji

Schloß Himeji liegt in der gleichnamigen Stadt im Südwesten der Präfektur Hyogo, einer der Gründe warum ich mich gegen das Schloß als Verwaltungssitz entschieden habe, da Himeji mit dem Shinkansen zwar in ca. 15 Minuten zu erreichen ist, aber für mein Gefühl dennoch etwas zu weit vom geschäftlichen Zentrum, der Osaka-region entfernt ist. Zudem ist Schloß Himeji, obwohl es einige schöne Wohnanlagen besitzt, vor allem was den Hauptturm betrifft eigentlich als Wehrburg eingerichtet, somit ist der Platz und die Möglichkeiten sehr eingeschränkt.
Außerdem möchte ich meinen Untertanen nicht die Gelegenheit verwehren diesen wunderschönen nationalen Kulturschatz zu besuchen und um den heutigen Anforderungen einer modernen Verwaltung zu genügen hätte ich zu viel umbauen müssen, was den Flair ruiniert hätte. Aus diesen Gründen bin ich nach Kobe gezogen, obwohl ich natürlich regelmäßig meinem Herrschaftssitz einen Besuch abstatte.

Der Baubeginn für die Burg war im 14. Jahrhundert (1333 bzw. 1346) zu Beginn der Muromachi Zeit, wo sich zu dieser Zeit ein Tempel befand. Ausgrabungen unter dem Schloß deuten aber darauf hin, daß sich bereits zuvor an dieser Stelle eine kleine Wehranlage oder ein anderer Tempel befunden zu haben schien, es ist aber noch nicht eindeutig geklärt. Als Baubeginn des eigentlichen Schloßes Himeji wird die größte je durchgeführte Erweiterung der Wehranlage im Jahr 1580 durch den Reichseiniger Toyotomi Hideyoshi angesehen, der die ersten voll ausgeführten dreistöckige Türme errichten ließ.
Nach dem Sieg Tokugawas über seine Widersacher fiel die Burg natürlich an ihn als neuen Shogun (da seine Besitzer Gegner bei der entscheidenden Schlacht waren) und er gab sie an Ikeda Terumasa, Mitglied des mächtigen Ikeda-Clans und Verwandter des neuen Shogun Tokugawa Ieyasu. Terumasa errichtete gleich zu Beginn des neuen Shogunats (Anfang 17. Jahrhundert) den heutigen, imposanten fünfstöckigen Hauptturm, und baute die Burg auch neuen Anforderungen entsprechend aus (womit schon Toyotomi begonnen hatte), nämlich um die Wehranlagen auch sicherer gegen die neuen Waffengattungen Arkebusen und Musketen zu machen. Etwas später wurde diese Familie mit einem anderen Gebiet zusätzlich zu ihrem Stammlehen belehnt, und die Verantwortung für die Burg und das Umland ging an eine andere Familie. Über die Zeit verwalteten mehrere Clans die Burg, bis schlußendlich 1749 die Sakai-Familie den Besitz übereignet bekam, und diesen bis zum Ende der Edo-Zeit behielt.

Auffallend ist, daß die typisch runden Embleme an den Dächern die Symbole gleich fünf großer Clans tragen, welche Herren dieser Burg waren und größere Umbauten durchführen ließen. Beginnend bei der Familie die den eigentlichen Bau begann (deren Name mir leider entfallen ist), über Toyotomi und Ikeda bis hin natürlich zum Zeichen der Tokugawa und der Sakai. Das Schloß galt wegen seiner besonderen Bauweise als uneinnehmbar und wegen seiner Schönheit (und seiner guten Erhaltung) als schönstes Schloß Japans (als Nummer eins der offiziellen drei berühmten Schlösser Japans). Ferner wird es wegen seiner Architektonik und seinem Aussehen als der Prototyp des typischen japanischen Schlosses angesehen.


Der Gedanke der Uneinnehmbarkeit rührt von mehreren Gründen her: Der Hauptgrund, bzw. wird dieser als solcher angegeben, ist die spiralförmige Anordnung des Weges zum Hauptturm, der aber dabei immmer vom Turm eingesehen werden kann, wodurch potentielle Angreifer, die sich bereits im Burghof befinden, ständig unter Feuer genommen werden können. Weiters gibt es auf dem Weg viele Sackgassen und Abzweigungen in falsche Richtungen, welche ebenfalls ein Hindernis darstellen. Ich selbst habe schon viele Burgen und ihre Verteidigungsanlagen gesehen und habe daher eine "einfache" Erklärung für die Uneinnehmbarkeit: Schloß Himeji bringt nicht wirklich neue Ideen in eine Verteidigung aber dort werden einfach eine Masse an Verteidigungsmaßnahmen kombiniert und gemeinsam verwendet, wie ich sie selbst noch nie gesehen habe. Dies beinhaltet nicht nur die verstärkten Mauern und den spiralförmigen Hauptweg, sondern auch mehrere durch Tore und Mauern getrennte Höfe dazwischen, extrem niedrige und kleine Türen als Flaschenhälse in den inneren Bereich, spezielle Ideen wie eine extrem steile kurze Treppe mit hohen Stufen direkt hinter einem kleinen Tor, sodaß einige wenige Speeträger in phalanxartiger Stellung das Tor sehr gut gegen Eindringlinge halten können, während gleich daneben eine abgeschlossene Mauer mit Schießscharten anschließt, womit Schützen noch extra auf Angreifer schießen können, und noch einige andere Maßnahmen. Wie gesagt, es ist die extreme Massierung an Verteidigungsmaßnahmen, die Himeji als uneinhembar gelten ließen, soadaß ein an Zahlen und Ausrüstung überlegener Gegner bei einem Ansturm, selbst beim Durchbruch durch die Verteidigung so viele Männer verlieren würden, daß für den finalen Ansturm auf den Hauptturm schlichtweg die Kraft fehlen würde. Da in Japan praktisch keine Kanonen verwendet wurden, verloren die Burgen auch bis in die Moderne nicht ihre Bedeutung, und wie von der Schlacht von Okinawa bekannt ist, kann es sein, daß manchmal sogar moderne Granaten Probleme haben hätten können. Meines Wissens nach war das "Knacken der Mauer" kein Teil des Plans zur Belagerung einer Burg in Japan, im Gegensatz zu Europa wo dies fast immer das erste und wichtigste Ziel war.

In Himeji war, wie es sich für eine ordentliche Wehrburg gehört, auch der Hauptturm (oder Bergfried) selbst innen auf Verteidigung ausgerichtet. So waren die 5 Stockwerke mit Ausnahmen für ein paar Treppen komplett voneinander abgeschlossen, und diese Treppen sind extrem steil. Auch gab es auf den Stockwerken kleine geheime Räume, die, so vermutet man, dazu gedacht waren Soldaten zu verstecken, welche bei der Einnahme eines Stockwerkes noch einen Überraschungsangriff starten konnten, dies ist aber nicht gesichert.

Auch wurde mir ein paar mal die Frage gestellt warum ich nicht Schloß Osaka als meinen Herrschaftssitz gewählt habe. Osaka hat zwar auch eine bedeutende Geschichte, allerdings hat das Schloß für mich einen zu negativen Beigeschmack. So wurde es bereits 1615 (als es noch militärische Gegner des neuen Shogunats gab) erobert und das erste Mal zerstört, ca. 50 Jahre später ist es nach dem Wiederaufbau wegen Blitzschlags fast komplett abgebrannt und während der Meiji Restauation wurde es ein weiteres Mal zerstört, so ist der heutige Bau zwar recht originalgetreu, jedoch eben nicht das historische Schloß, darüberhinaus befindet es sich, trotz eines großen Parks eben mitten im riesigen Osaka. Außerdem sind auch Japaner oft der Meinung, daß Schloß Osaka eigentlich ziemlich häßlich ist.
Mit Himeji verbindet man einfach ein gewisses gutes Gefühl und einen Stolz, es ist ein bißchen schwer zu erklären, aber sicherleich werden die meisten mich verstehen und es ist auch ästhetisch gesehen, die bessere Entscheidung.


Das Schloß wenn man von der Hauptstraße kommt und im Park steht. (Hauptturm und letzter Seitenturm)




Seitenansicht




Zeichnung der Anlage und der umgebenden Stadt aus der Edo-Zeit




Eine schematische Darstellung des Hauptturms





Interessante (und lustige) Fakten/Meinungen über Japan:

Leider gibt es weiterhin keine Anhaltspunkte auf den Aufenthalt unseres Autors, doch haben wir per Mail einen Beitrag für die Kolumne erhalten. Da es sich aber nicht eruieren läßt, wann dieser verfaßt wurde, können wir noch nicht Entwarnung geben, und auch die Belohnung für sachdienliche Hinweise bleibt weiterhin aufrecht.


An dem Schloß/an der Burg (in Japan ist es eine Art Kombination von beidem) Himeji kann man sehr gut architektonische Charakteristika begutachten. Die Steine der Wehrmauern sind nicht sauber ineinadergefügt (wie in Europa oder auf Okinawa sichtbar) sondern wegen den verschiedenen Größen und Formen mehr wie aufgeschüttet, dennoch ist es eine bauliche Meisterleistung, daß sie dennoch eine sehr starke Befestigung darstellen. Die Verschiedenartigkeit rührt übrigens daher, daß es beim Bau einen starken Mangel an Steinen gab, sodaß man praktisch alle verwendete, derer man habhaft werden konnte, wobei eben nur wenige wirklich fachgerecht behauen waren. Sehr gut kann man daher jene erkennen, die von dem früher an dieser Stelle stehenden Tempel stammen. Die Mauern der Türme sind aber wunderschön weißgetüncht und scheinen unversehrt, weswegen es oft als Kulisse verwendet wird, so z.B. in Akira Kurosawas "Ran".
Wie für Japan typisch war dennoch Holz eines der Hauptmaterialien, so sind die Innenbereiche der Türme praktisch vollständig aus Holz gebaut und überhaupt ist das Grundgerüst ein kompliziertes Geflecht aus Holzstehern. Der Kern des Hauptturms und damit eigentlich der Burg stellen dabei zwei 24 Meter hohe Holzpfeiler dar.

Dennoch erwies sich die Konstruktion aus Holzkern, Steinanlagen und steinernen Wehr bzw. Stützmauer, mit Holzinnenverkleidung als sehr stabil. Zudem war die Stadt Himeji wie in der Edo-Zeit üblich in klar abgegrenzte Viertel eingeteilt: Verwaltungs- bzw. Samuraiviertel, Handwerkerviertel und Händlerviertel (und ab und zu ein separates Vergnügungsviertel) welche sich mit der Burg als Zentrum um sie herum anordneten und die nochmal durch Wehrmauern und Tore getrennt waren.
Manchmal kam auch das Glück zu Hilfe. So wurde Himeji im 2. Weltkrieg bombardiert und obwohl das Gebiet um das Schloß herum stark zerstört wurde, überstand das Schloß selbst den Angriff unbeschädigt. In den 50ern wurde das Schloß dann aber teilweise abgetragen, da nach den Jahrhunderten das Holzgerüst zum Teil stark verrotet war und erneuert werden mußte, wollte man nicht riskieren, daß das Schloß irgendwann zusammenbricht. Unter anderem wurden auch die beiden hölzernen Stützpfeiler durch neue ersetzt. Dennoch wurde penibel darauf geachtet, daß bis auf die Teile die ausgetauscht werden mußten, alles wieder auf den ursprünglichen Platz zurückkehrte und es wurden auch die gleichen Holzsorten und teilweise alte Verarbeitungstechniken für die Restaurierung verwendet.


Wie jede bedeutendere Burg besitzt auch Schloß Himeji seine eigenen Legenden.

Wie bereits erwähnt gab es zur Zeit als Toyotomi Hideyoshi (damals noch unter dem Namen Hashiba Hideyoshi) die Burg ausbauen ließ eine starke Knappheit an Steinen, bis ihm eine alte, arme Frau ihren Mühlstein zur Verwendung beim Bau schenkte. Angesichts dieser selbstlosen Tat beganen nun alle Bewohner der Umgebung Steine aus ihrem Besitz (von den Häusern etc.) an den Schloßherrn zu schicken, wodurch erst genug Baumaterial gesammelt werden konnte.
Diese Geschichte wird heute als wahr angesehen, und der Mühlstein der alten Frau ist inmitten der Mauer gesondert gekennzeichnet.

Okikus Brunnen
Um 1470 plante ein Adliger der Burg eine Intrige gegen den Schloßherrn um ihn zu töten und sein Land übernehmen zu können. Eine der Diennerinnen seiner Familie mit Namen Okiku hörte aber von diesem Plan und verriet ihn an ihren Geliebten, einem loyalen Untergebenen des Burgherren, wodurch der Plan vereitelt werden konnte. Allerdings konnte dem Hauptintriganten selbst nichts nachgewiesen werden, wodurch er nicht in Verdacht geriet. Als er herausfand wer die Verschwörung verraten hatte, rächte er sich auf grausame Weise: Er ließ eine der sehr wertvollen Untertassen des Burgherren stehlen, und ließ es so aussehen, als wäre seine Dienerin Okiku die Schuldige. Da er durch das "Verbrechen" seiner Dienerin in seiner eigenen Ehre angegriffen war, ließ er sie als Strafe zu Tode foltern und in den Brunnen werfen, bevor ihr Geliebter oder sonst jemand sie retten konnte.
Die Legende besagt, daß man manchmal noch heute ihre traurige Stimme aus dem Brunnen klagen hören kann, sie soll dort ohne Unterlaß die Untertassen zählen, in der Hoffnung, daß sie wieder komplett sind.
Anscheinend hat es später aber auch den Intriganten erwischt, als er eine neuerliche Verschwörung plante wurde auch diese aufgedeckt, aber diesmal konnte er zur Rechenschaft gezogen werden.

Heute zählt Schloß Himeji nicht nur zu den nationalen (Kultur)Schätzen Japans und ist einer der drei berühmten Schlösser, sondern steht auch auf der Liste der Weltkulturerbe der UNESCO. Zudem gilt der Garten bzw. Park des Schlosses mit seinen Kirschbäumen als einer der schönsten Orte der Präfektur für das alljährliche Hanami, das Betrachten der Kirschblüten.


Ein Abschnitt der Mauer, teilweise gut behauene Steine der alten Anlage, teilweise gespendete Steine




Ein Modell des hölzernen Stützapparats




Modell der Stadt zur Zeit des Tokugawa-Shogunats




Und zu guter Letzt: Die Bäume im Schloß hatten schon zu blühen begonnen, aber leider waren sie und v.a. die im Park noch weit von ihrer eigentlichen Pracht der vollen Blüte entfernt.