Montag, 28. Januar 2008

Kunst und Ryûkyû

Ich hoffe nach diesem Eintrag wieder zum gewohnten Mittwoch bzw. Mittwoch-Wochenende Rythmus mit meinen Updates zurückkehren zu können.

Also, wie bereits erwähnt waren die Tage nach dem Schitrip gefüllt mit Arbeit für die Uni, doch nach dem Erledigen dieser nervigen Nebenbeschäftigung, hat sich diese Woche auch wieder interessantes ereignet.

So habe ich zusammen mit einer Freundin eine Ausstellung im Stadtmuseum von Kobe über Ukiyo-e (浮世絵) besucht. Ukiyo bedeutet soviel wie "die vergängliche Welt" also so in Richtung des Diesseits und "e" steht in diesem Fall einfach für Bilder. Ukioye sind die, in der Edo-zeit aufgekommenen, japanischen Farbholzschnitte (auch zum Drucken bestimmt) und auch Bilder, wobei die Darstellungen sich auf das alltägliche Leben der Menschen, ihre Feste (sehr oft wurden bekannte Kabuki-darsteller gemalt) und der Umgebung konzentrieren, was ein Novum in der japanischen Kunst darstellte, was vielleicht ein wenig vergleichbar mit dem Biedermeier, auch was das Bürgertum betrifft, ist. In der westlichen Welt sind Ukiyo-e der Begriff für traditionelle japanische Bilddarstellung geworden, wobei wohl Katsushika Hokusai und sein Zyklus "36 Ansichten des Berg Fuji" am berühmtesten ist.
Besonders interessant, für mich persönlich, ist, daß japanische Ukiyo-e auch einigen Einfluß auf europäische Kunst nach der Öffnung Japans hatten, so wurde van Gogh sehr stark von diesen inspiriert und soll sich auf die Suche nach einer "japanischen Landschaft" in Frankreich begeben haben, um seine Bilder, nach Vorbild der Ukiyo-e, daran orientieren zu können. Auch hat er einige bekannte japanische Werke in seinem Stil und Farben reproduziert.
Andere Künstler deren Werke von Ukiyo-e beinflußt wurden, waren unter anderem Gauguin und Klimt.
Ukiyo-e beinhaltet aber auch "vulgäre" Darstellungen, wie Bilder von Kurtisanen oder Sex-Szenen, weswegen sie manchmal Probleme in Japan selbst hatten (allerdings mehr mit dem Verkauf als mit gesetzlichen Beschränkungen), bzw. sie auch von vielen westliche Kunstkritikern abgelehnt wurden. Auch wegen ihrer Darstellungen des einfachen Lebens, eine Kritik wie sich auch das Biedermeier immer wieder stellen muß.

Leider war, wie in den meisten Museum, Photographieren strengstens verboten, weswegen ich keine Photos herzeigen kann. Stattdessen eine Darstellung aus dem Internet, keine Sorge nach 200 Jahren ist das Urheberrecht abgelaufen: "Die große Welle von Kanagawa" aus Hokusais "36 Ansichten des Berg Fuji"-Zyklus (Das Original habe ich im Museum gesehen)




Das Besuchen der Ausstellung hat mir auch wieder vor Augen geführt, warum ich Moderne Kunst, insbesondere Abstrakte, nicht ausstehen kann. Wenn man die Bilder betrachtet, die Details, das Zusammenspiel der Farben bzw. die Farbpracht selbst, die Athmosphäre, sowie die Kunst z.B. mit nur Abstufungen der Farbe Blau auf weißer Leinwand ein wunderschönes und ästethisches Bild zu schaffen, so muß uns die moderne abstrakte "Kunst" dagegen als amateurhaft erscheinen. Egal ob es sich nun um Kunstrichtungen wie Jackson Pollock und sein "Action Painting" handelt, oder ähnlichem welches in den letzten 50 Jahren aufgekommen ist, wobei aber vor allem in Österreich mit Mühl und Nitsch extreme Vertreter zu finden sind.
Was mich dabei stört ist die Trennung von Vision und Fähigkeit. Ein Künstler soll und muß natürlich eine Vision haben, um ein großartiges Kunstwerk zu schaffen, doch heutzutage scheint der Begriff Vision zu einem Selbstläufer geworden zu sein, ohne daß gleichzeitig auch außergewöhnliche Fähigkeiten benötigt werden. Oftmals scheint man nur etwas Aufregendes oder Abstraktes machen zu müssen, und einen Marketingexperten zu kennen, der es versteht dies gut zu vermarkten und als Kunst zu verkaufen und schon wird man berühmt, solange man behauptet, man hätte eine Vision zu diesem "Werk" und sie darin verarbeitet bzw. man will etwas damit ausdrücken. Ich nehme mich selbst als Beispiel: Wie schon mal gesagt, bin ich im Bereich der darstellenden Kunst ein Totalversager (Gott sei Dank nicht in der Musik), aber ich kann auch einen Kübel Blut auf eine Leinwand schütten, ein Loch in eine Dose Farbe bohren und über ein Gemälde tragen, oder Kugeln in Strumpfhosen stecken und diese zusammennähen. Doch man setze mich vor ein Gemälde von Da Vinci, van Gogh oder Klimt und erkläre mir ich solle es nachmalen, und ich werde denjenigen einfach nur auslachen und gehen.
Auf den Punkt gebracht ist meine Meinung, daß wirkliche Kunstwerke ohne technische Hilfsmittel nicht einfach zu kopieren sind.
Das Traurige dabei ist, daß heute oftmals Künstler mit großen Fähigkeiten und Potential keinerlei Chance haben bekannt zu werden, da ihre Bilder von der "Szene" und von vielen Kritikern als zu unspektakulär zu wenig aufregend oder schlicht als zu "brav" angesehen werden. Wenn man die Geschichte der Kunst betrachtet, ist die Ironie dabei nicht zu verkennen.


Ich möchte mich an dieser Stelle entschuldigen, für den langen Absatz über meine persönlichen Ansichten, vor allem weil es nichts mit Japan zu tun hat, aber ich mußte es einfach loswerden.


Da wir von Klimt gesprochen haben, hier ein Aufdruck auf einer Schachtel Pocky (Schokolade sticks)






Eine andere Packung hatte den Aufdruck eines Bildes von Renoir ("Junges Mädchen trägt Blumen")


Auch war ich diese Woche in einem Restaurant mit Okinawa-Küche essen. Diese besitzt aufgrund der langandauernden chinesischen Einflüße, aber vor allem wegen ihren kulturellen Eigenheiten, einige spezielle Besonderheiten, die man nirgendwo sonst in der japanischen Küche finden kann. Leider hatte ich meine Kamera nicht dabei, weswegen es keine Photos gibt, aber wenn ich wieder dorthin essen gehe, werde ich sie nicht vergessen.
(Für die Anime-Fans unter euch: Der Anime "Samurai Champloo" hat seinen Namen nach dem Okinawa-Gericht "champuru", was soviel wie "Mix" bedeutet und auf den Mix von Moderne und Tradition in diesem Anime hinweist)

Da ich augenscheinlich der einzige (westliche) Gaijin (Ausländer) im Restaurant war, haben sich die Kellnerinnen (es waren nur Mädchen) einen kleinen Scherz mit mir erlaubt. Es ist normal, daß Kellner wenn ein Gast an in ihnen vorbeigeht ihn begrüßen, oder wenn er auf dem Weg zum Ausgang ist, ihn verabschieden, dafür gibt es extra Vokabeln im Japanischen (ich verweise hier auf meinen Eintrag bezüglich "irrashaimase), manchmal machen sie dies auch jedesmal, selbst wenn es der gleiche Gast ist. Wenn man das Restaurant verläßt, wird man am Ausgang von nächststehenden Kellner noch extra verabschiedet, so entspricht es der Höflichkeit.
Wie dem auch sei: Während wir nun nach dem Essen die Rechnung entgegengenahmen, haben sich hinter mir unbemerkt (Japaner können das) alle Kellnerinnen im Halbkreis aufgestellt, und als ich den Fuß auf die erste Stufe der Stiege Richtung Ausgang gesetzt habe, haben alle gleichzeitig, ganz laut (mit einem breiten Grinsen im Gesicht) "Kommen Sie bitte wieder!" gerufen, und sie waren amüsiert ob meines überraschten Gesichtsausdruck.



Interessante (und lustige) Fakten/Meinungen über Japan:

Die Insel Okinawa (沖縄) ist eigentlich nur der Name der Hauptinsel der Präfektur Okinawa, welche aus einer ganzen Inselkette besteht, deren eigentliche Name Ryukyu (琉球) ist. Ursprünglich besitzen die Ryukyu-Inseln, aufgrund intensiver Kontakte mit China und anderen asiatischen Ländern, sowie ihrer relativen Selbstständigkeit bis Anfang des 17. Jahrhunderts, eine eigenständige Kultur und Sprache, die dem Japanischen heute zwar sehr ähnlich ist, aber dennoch als unterschiedlich betrachtet werden kann, vor allem was den Okinawa-Dialekt betrifft, der sich doch deutlich vom Standard-Japanisch unterscheidet.
Die Ryukyu Inseln waren im Mittelalter (ab ca. 1000) ein eigenständiges Königreich, das zwar stark von China beeinflußt wurde und auch Tributzahlungen an China leistete, aber aufgrund Chinas Politik der Quasi-Isolation eine sehr lange Zeit praktisch souverän war. Im Jahr 1609 eroberte dann ein Daimyo, mit Billigung durch den Shougun, Ryukyu, wodurch sie formell die Unabhängigkeit verloren, da sich aber auch der Daimyo mit Steuerpflicht und geringer direkter Kontrolle zufrieden gab, konnte die Kultur relativ eigenständig weiterexistieren, insbesonders da der König weiter erhalten blieb um den chinesischen Gesandschaften die Kontrolle durch Japan nicht zu offenbaren.
Damit befand sich Ryukyu aber mehr oder weniger in doppelter Abhängigkeit von China und Japan, was zu einigen Problemen und Spannungen in der Bevölkerung führte, die Reformen notwendig machten, welche im Endeffekt zu einem Aufschwung und einer weiteren Stärkung der spezifischen Eigenheiten Ryukyus führte.
Nach der Meiji-Restauration 1868, und der Loslösung von China (da Japan China in verschiedene Schlachten besiegte) kam es aber zur Einrichtung der Präfektur Okinawa und in Folge dessen zur endgültigen Abschaffung des Königs, der direkten Kontrolle aller Lebensbereich durch die Regierung in Tokyo, und der verstärkten Verbreitung der japanischen Kultur und Sprache der Hauptinsel (dies wird heute oft als Art Assimiliationspolitik betrachtet).

Okinawa ist besonders bekannt für seine Rolle im 2. Weltkrieg, da sie einziger Austragungsort einer Schlacht auf wirklich bewohnten japanischen Boden (Iwo Jima ist mit Ausnahme von Militär praktisch unbewohnt), und nach Iwo Jima die 2-verlustreichste Schlacht der Amerikaner im Pazifikkrieg war. Bis in die '70er standen die Inseln dann auch unter amerikanischer Besatzung und Verwaltung, noch heute befindet sich dort die zweitgrößte US Marinebasis des Pazifik. Das Verhältnis zwischen der Bevölkerung der Ryukyu-Inseln und der Regierung in Tokyo ist immer noch etwas gespannt, da erst ungefähr in den letzten 10 Jahren begonnen wurde die ursprüngliche Kultur und Sprache der Inseln zu fördern (allerdings nicht vom Staat), wobei vor allem die Sprache ein Problem darstellt, da viele Junge in die Städte der Hauptinsel auswandern, und den Okinawa-"Dialekt" nicht mehr beherrschen.

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