Sonntag, 23. Dezember 2007

Schande und Feste

Ja, Schande über mich, ich habe ein Update verpaßt. Als Wiedergutmachung wird es über die Weihnachtsferien mehr als üblich geben, obwohl eines schon vorweg: Die Ferien sind hier kürzer als zu Hause, so habe ich beispielsweise am 25.12. noch einen Kurs an der Uni, denn offiziell schließt die Uni erst am 28.12. Aber davon nach Heilig Abend mehr.

Nun denn. Am Samstag vor einer Woche war ich am sogenannten "Luminarie"-Fest in Kobe, das Wort kommt vom italienischen "illuminari" und es ist, wie der Name schon sagt, ein Lichterfest. Hierbei wird ein Straßenzug mit unzähligen bunten (elektr.) Lampen geschmückt, die zwar ein wenig kitschig aussehen, aber dennoch ist das Ganze sehr schön. Am Ende wartet dann noch ein Art erleuchteter kleiner Pavillion. Aus den Lautsprechern entlang der Straße klingt Barock- und Kirchenmusik, was dem ganzen eine wiklich schöne Note (wortwörtlich) verleiht. Leider sind auch die üblichen Durchsagen omnipräsent ("Vorsicht, laufen sie nicht in jemanden hinein," etc.), diese wirken doch sehr störend.
Das Fest selbst ist eine Besonderheit von Kobe, und es gibt es erst seit 1995, als Gedenken an das große Hanshin-Erdbeben vom 17. Jänner 1995, welches Kobe am härtesten traf. Meines Wissens nach wurden die Lichter von der italienischen Regierung als Geschenk überreicht, und da sie angeblich handbemalt sind, haben sie auch einen hohen künstlerischen Wert. Die Lichter werden über einen Zeitraum von zwei Wochen jeweils am Abend für einige Stunden erleuchtet, und wie so oft begeben sich Menschenmassen dorthin: Obwohl einige Straßenzüge gesperrt sind, benötigt man ca. 1 1/2 Stunden bis man die Lichter endlich sieht, das ganze hat (wieder mal) Volksfest-charakter.







Mehr Photos wie üblich im Album

Zum Erdbeben selbst: Hier nur einige Randfakten, da es auf Wikipedia sehr gut beschrieben wird. Es traf Kobe in den Morgenstunden des 17. Jänners (um ca. 5.46 Uhr) und gilt als größte Katastrophe, welche die Stadt je heimgesucht hat. Es sind zwar "nur" etwas mehr als 6000 Menschen ums Leben gekommen, aber der infrastrukturelle Schaden in der Stadt und den Wohngebieten war immens. Zudem hat die Regierung in Tokyo das Katastrophenmanagement komplett verschlafen (vergleichbar mit der US-Regierung als New Orleans überflutet wurde). Große Teile der Stadt und des Hafens wurden so sehr zerstört, daß weite Teile komplett neu aufgebaut werden mußten, und mit dem Erdbeben verlor Kobe auch endgültig seinen Rang als wichtigster Nicht-Erdöl Hafen an Yokohama. Bis heute ist die Erinnerung sehr stark, an der Uni habe ich als Auslandsstudent bereits drei Vorträge über das Erdbeben gehört. Es war aber auch ein beispielloses Ereignis in Puncto Hilfe und Zusammenarbeit über Grenzen hinweg und von Selbstorganisation, da die Regierunsstellen versagten (sogar die in Kobe ansäßige Yamaguchi-gumi Yakuza hat ohne etwas zu erwarten geholfen).

Sollte jemand genaueres darüber wissen wollen, und nicht ganz auf Wikipedia etc. vertrauen, bitte nach meiner Rückkehr mit mir in Verbindung setzen, ich habe einige Bücher und Infos von der Uni darüber bekommen.


Am Sonntag waren David und ich einmal mehr wandern. Dieses mal haben wir die Hügelkette überquert, und sind zu den Onsen (heiße Quellen) in Arima marschiert. Diese sollen schon seit ca. 1000 Jahren (oder mehr) in Benutzung sein, und sollen auch die Lieblingsonsen des berühmten Reichseinigers Hideyoshi Toyotomi gewesen sein. Auf alle Fälle gibt es in Arima viele Hotels (darunter einige Luxusvarianten), und "einen Haufen" Onsenbetriebe.
Genauer Erläuterungen zu Onsens im nächsten Bericht, denn dieser hier wird sonst zu lang.




Am Dienstag war ich dann auf einer kleinen Weihnachtsfeier des Deutschkurses (wie ich in den Kurs gekommen bin, auch in einem der nächsten Beiträge). Jedenfalls ist der 2. Lehrer im Kurs ein Österreicher aus Bruck an der Mur (Name: Stefan Trummer), der einzige mit ich mich hier wirklich normal unterhalten kann, auf gut österreichisch eben. Deswegen haben wir mit Erlaubnis des "Haupt"lehrers die Feier ein wenig österreichisch gestaltet, um den Teilnehmern zu zeigen, wie ein Stück traditionelles Weihnachten aussieht, ohne Kommerz, Konsumterror und amerikanischen Kitsch (amerikanisch deswegen, da in Japan Weihnachten aus Amerika gekommen ist, aber wir produzieren selbst auch genug Kitsch). So haben wir ihnen Geschichten ums Weihnachtsfest erzählt, wo kommt es her, Christkind statt Santa Claus, gefeiert wird am 24. am Abend, wer ist der Nikolaus etc. Trummer-sensei hat dann einige traditionelle Lieder zum Besten gegeben (wie meine Freunde wissen habe ich eine grauenhafte Gesangsstimme) und der Höhepunkt des Abends: Wir beide haben eine kleinen Topf Glühwein gekocht. Da er die Zutaten aus Österreich besorgt hatte, ist er auch wirklich original geworden. Der Glühwein ist sehr gut angekommen, vor allem beim japanischen Professor (er war schon öfters in Graz und hat dort seine Liebe dazu entdeckt) und bei dem Mädchen mit urkainischen Wurzeln. Sie hätte den gesamten Inhalt am liebsten allein getrunken, denn natürlich hatten wir viel zu wenig. Wie alle japanischen Feiern hat auch diese pünktlich zu einer festgesetzten Zeit geendet, aber trotzdem war es vor allem für mich ein Stück echtes Weihnachten.








Interessante (und lustige) Fakten/Meinungen über Japan:

Wann immer in Japan öffentliche Feste veranstaltet werden, werden zig Menschen als Ordner, Helfer und Sicherheitskräfte (meist wird dies von privaten Firmen unter Schirmherrschaft der Polizei erledigt) eingestellt. Was zunächst ganz natürlich erscheint, wird für jemanden aus dem westlichen Kulturkreis schnell eigenartig, wenn man den Fokus auf die Helfer in der Verkehrsregelung legt: Es sind immmer mehrere Personen anwesend, um Aufgaben zu erledigen, die für den Besucher selbst ohne Hilfe selbstverständlich sind. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Von zwei Seiten kommen Besucherströme über eine Straße (die sowieso per Ampel geregelt wird) um sich zu "vereinigen" und in die selbe Richtung weiterzubewegen. Nun wird dieses Einreihen nicht den Besuchern selber überlassen, nein, Ordnungshüter halten periodisch jeweils einen Strom auf, um eine gewisse Anzahl Gäste des zweiten sich einreihen zu lassen, danach wird gewechselt. Auch wird diese Aufgabe nicht von 1-2 Ordnern erledigt, mehr wäre nicht nötig, sondern von 5, manchmal noch mehr. Kurzum, alles ist bis ins kleinste Detail geplant, nichts wird dem Zufall überlassen und, Gott behüte, es käme gar zu einem Ausbruch von Selbstinitiative. Auf den Autor persönlich hatte dies eher einen belustigenden Effekt, doch wie selbst im Sommer nach einem Feuerwek in Tokyo festgestellt, ist es doch angenehm, wenn man in den Massen den Weg zu "seiner" Station verliert, und man schnell den nächsten Helfer fragen kann (oder einen Blick auf die Schilder mit Wegbeschreibungen wirft, die diese hochhalten).
Am Ende des Beitrags ein Video dazu

In der japanischen Gesellschaft hat dies aber durchaus seinen Sinn: Die Besucher fühlen sich sicher und beschützt, und gehen zum Fest im Wissen, daß immer jemand im Hintergrund da ist, der über sie wacht. Den Ordnern selbst wird das Gefühl vermittelt, sie werden gebraucht und jeder einzelne von ihnen erfülle einen Zweck. Aus dem selben Grund sieht man oft alte Männer (über 60, 70 Jahre) als Sicherheitsleute in Einkaufspassagen oder als Art Einweiser bei Baustellen stehen. Denn obwohl sie keinen wirklichen obejektiven Zweck dienen, ist es für sie persönlich wichtig das Gefühl zu haben, noch einen Sinn in der Gesellschaft zu erfüllen, da sie für "richtige" Arbeit oft zu alt (per Gesetz) und/oder zu gebrechlich sind. In der japanischen Gesellschaft wird daher die Pension oft subjektiv als etwas Schlimmes empfunden, da man nichts mehr zu tun hat, und vor allem kaum mehr etwas zum Wohlbefinden der Gesellschaft beitragen kann (Welch Unterschied zu uns, siehe Postpensionierungen etc). Daher gibt es auch Stimmen (zum Beispiel ein Professor von mir, Alter: 60), die meinen, die Regierung sollte doch das Pensionsalter hinaufsetzen, damit die Leute länger in ihren Firmen arbeiten können. Wohlgemerkt aber, die MÖGLICHKEIT länger zu arbeiten NICHT den Zwang dazu, auch im Hinblick der, vor allem in Japan, rapiden Überalterung der Gesellschaft. Allerdings haben viele Firmen verständlicherweise einige Vorbehalte.



In unserer nächsten Ausgabe etwas mehr darüber, besonders im Hinblick, daß die meisten Scheidungen in Japan aufkommen, nachdem der Mann in Pension ist.

2 Kommentare:

Karl hat gesagt…

Hi Durin!
Wünsche Dir auch ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest. Wie ich lesen kann, hast du ja schon ein wenig Heimat nach Asien gebracht (Glühwein usw.)
Bom Natal
KARL

Helmut hat gesagt…

Ja, du nimmst mir echt das Wort aus dem Mund, mit all deinen Erklärungen über das viele Aufsichtspersonal und dessen Bedeutung!! **

An Baustellen z.B. wird man manchmal fast freundlich gegrüßt.. haha ^^

Und vor Einfahrten in teure Hotels verbeugt sich manchmal sogar eine polizeiähnliche Person vor einem..!! ^^

Echt einzigartig.