Dienstag, 23. Juni 2015

Der Westen ruft.

Nach 4 Nächten in Tôkyô bin ich dann Richtung Kôbe aufgebrochen, das ja eigentlich mein Regierungssitz als Daimyô der Provinzen des mittleren Westens ist.
Übrigens haben meine loyalen Untertanen zur Feier meiner Rückkehr mein Konterfei (in Mangaversion) für die Werbung für ein historisches Drama (über den Taira Clan) verwendet. Es ist natürlich angepaßt, ich trage ja Brille und hab nicht so lange Haare, aber sonst sehr gut getroffen.




Auch in und um Kôbe habe ich mich vor allem mit alten Freunde getroffen, unter anderem habe ich natürlich auch der Kôbe Universität einen Besuch abgestattet und bin am Abend mit einigen Professoren/ Angestellten unterwegs gewesen.
Nicht nur, daß sie mich in Erinnerung behalten haben (ob in guter oder schlechter lassen wir mal dahingestellt), anscheinend ist auch ein Photo von einem meiner Uni-Kurse mit mir in prominenter Position für eine Plakatserie für Werbe-Veranstaltungen zum Austauschstudium an der Kôbe Uni in versch. asiatischen Ländern verwendet worden. Was es nicht alles gibt.

Eine Freundin (Yuki, inzwischen verheiratet mit Kind, typisch japanisch) hat mich eingeladen mit ihr den berühmten Enryaku-ji (延暦寺) auf dem Berg Hiei in der Nähe von Kyôto zu besuchen. Der Enryaku Tempel ist der Haupt- und Gründungstempel der Tendai Konfession des Buddhismus, die im Mittelalter besonders bei den Oberschichten verbreitet war. Tendai war daher über mehrere Jahrhunderte eine sehr einflußreiche Organisation, die im 16. Jahrhundert um den Enryaku-ji und in der Region einige tausend Sub-Tempel besaß und eine richtige Armee von Kriegermönchen ("Sôhei" 僧兵) besaß.
Sie waren Gegner von Oda Nobunaga, weswegen er, nach Sieg über die mit Tendai verbündeten Clans, 1571 gegen den Enryaku Tempel-Komplex mit einer, für die damalige Zeit, massiven Armee von 30.000 Soldaten marschierte. Im Zuge der Belagerung des Hiei brannte er praktisch alle Tempel und den gesamten Komplex nieder und tötete sämtliche feindliche Kriegermönche (sowie, zur damaligen Zeit leider auch sehr üblich, viele Zivilisten).
Damit war die Macht der Tendai gebrochen und erst unter Odas Nachfolgern Toyotomi und Tokugawa durfte sie den Enryaku-ji wieder aufbauen.

Der heutige Tempel-Komplex am Berg ist auf drei Gebiete aufgeteilt: Die "Östliche Pagode" mit der eigentlichen Haupthalle des Tempels, die "Westliche Pagode" und "Yokokawa".

Plan des Areals



Die Yokokawa Haupthalle



Die Konpon Halle, das eigentliche Hauptgebäude des Tempels




Als meine Begleiterin mal aufs WC mußte habe ich übrigens etwas festgestellt: Wenn man als ausländischer Mann ein (japanisches) Baby auf dem Arm hat, ist man sofort das Zentrum der Aufmerksamkeit und aller Blicke sämtlicher weiblicher Personen im Umfeld. Macht irgendwie Angst.

Während ich in Kôbe war, wurde ich über eine alte Freundin auch zu einer Party in einem Studentenheim der Austauschstudenten eingeladen (nicht mein ehemaliges) und es war sehr schön, die Zeit praktisch 5 Jahre zurückzudrehen mit allem Drum und Dran. Nur der Folgetag war nicht mehr so leicht zu ertragen wie früher.

Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, da die Jahreszeit die richtige war, den Kyomizu Tempel zur Laubverfärbung zu besuchen (Momiji-Zeit) und zwar auf den Tag genau 5 Jahre nach meinem erstem Momiji Besuch dort.


5 Jahre später


(Inzwischen, also jetzt 2015, wurde das Hauptgebäude aber renoviert)



Nach 5 Nächten (und einem Besuch von Schloß Himeji) machte ich mich auf zur letzten Etappe auf meiner "Wiedersehens-Tour":
Dem Westen Honshus (Chûgoku Region) und der Insel Kyûshû. Beides Regionen, die ich noch nie zuvor besucht hatte.

Übernachtet habe ich in Fukuoka im Norden Kyûshûs um von dort die Insel zu erkunden, aber zuerst noch zu meinem Besuch in Hiroshima.

Hiroshima ist mit etwas über 1 Million Einwohner die größte Stadt und das Zentrum der Chûgoku Region. Sie ist traditionell eine wichtige Industriestadt und hat trotz des 2. Weltkriegs diesen Status nicht verloren. Am bekanntesten ist sie natürlich für den ersten militärischen Einsatz der Atombombe unter dem Namen "Little Boy" (genauer gesagt: Eine Uran-Kernspaltungsbombe). Was viele aber nicht wissen, ist daß etwas mehr als 1 Monat nach Abwurf der Bombe auch noch ein heftiger Taifun über die Stadt fegte und einen Großteil der Infrastruktur, die noch stand, zerstörte.

Unter anderem habe ich mir natürlich den berühmten Atombombendom angeschaut, so benannt weil er das nächstgelegene Gebäude zum Explosionspunkt war, das nicht komplett vernichtet wurde und weil er durch seine charakteristische Kuppel ein auffälliges Gebäude ist. Er wurde als Erinnerung an den Abwurf der Bombe erhalten und als "Friedensdenkmal von Hiroshima" zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt. Interessanter Nebenpunkt: Das Gebäude, ursprünglich "Produktausstellungshalle der Präfektur Hiroshima" genant, wurde von einem österreichischen (genauer gesagt, böhmischen) Architekten konstruiert.




Weiters war ich auch im Park des ehemaligen Schlosses von Hiroshima, das durch seine Konstruktion natürlich komplett ausradiert wurde, wobei der "Burgfried", also der Hauptturm, inzwischen rekonstruiert worden ist.
Interessanter sind aber verschiedene Bäume im Park die gelbe Plaketten tragen, wie dieser hier:




Diese gelben Plaketten bedeuten, daß der jeweilige Baum hier schon am Tag der Bombe stand und obwohl nur mehrere hundert Meter vom Hypocenter (Explosionspunkt der Bombe in der Luft) entfernt, haben sie dies überstanden und wachsen noch immer.



Interessante (und lustige) Fakten/Meinungen über Japan:

Es wird unsere geneigte Leserschaft freuen zu hören, daß wir es tatsächlich geschafft haben, den Autor unserer beliebten Kolumne nach so vielen Jahren aufzustöbern und ihn überreden konnten, noch einige Male für uns zu schreiben.


Die Region Chûgoku ("Mittleres Land" 中国) ist die westlichste Region der Hauptinsel Honshu, wobei nicht mehr genau nachvollziehbar ist woher der Name stammt. Da zudem seit dem frühen 20. Jhdt. der selbe Name (mit den selben Kanji) für China verwendet wird, greift man teilweise auf die alten Namen der Region zurück, auch wenn diese vom Gebiet her nicht mehr ganz mit der modernen Region überein stimmen. So wird Chûgoku auch die San'in-San'yô Region genannt, San'in (山陰 "Nord- bzw. Schattenseite des Berges") im Norden und San'yô (山陽 "Süd- bzw. Lichtseite des Berges) im Süden. Dies ist insofern passend, da die japanischen Berge tatsächlich ziemlich genau in der Mitte die Region teilen. In früheren Zeiten gab es nur wenige Möglichkeiten, die Berge zu queren, sodaß es oft einfacher war (v.a. im Winter), bis an die Westspitze von Honshu zu reisen und von dort der längs nach die jeweilige "Seite" der Region zu besuchen. Teil der japanischen Berge in Chûgoku ist auch der Hiba, in der Mythologie die Ruhestätte der Göttin Izanami, die die japanischen Inseln geboren haben soll. Weiters befindet sich im Norden der Region der Izumo- Schrein, einer der ältesten und wichtigsten Shinto-Schreine Japans. Anzumerken ist, daß die Region dünn besiedelt ist (mit Ausnahme der Stadt Hiroshima mit über 1 Million Einwohner), und bei 15% der Fläche (so groß wie Kantô) nur 7% der Einwohner von Honshu beherbergt (nur die Region Tohoku ist noch dünner besiedelt).

Die Bucht von Hiroshima war schon lange Zeit ein wichtiges Gebiet der Region, wurde aber das wichtigste Zentrum von Chûgoku als in der Sengoku-Zeit (16. Jhdt.) der mächtige Mori-Clan (berühmt v.a. für seine Flotte) seinen Hauptsitz dorthin verlegte, eine Burg baute und die Stadt Hiroshima gründete. Bereits in der Edo-Zeit war die Stadt ein Zentrum von Gewerbe und Industrie, aber insbesondere durch die Industrialisierung in der Meiji-Zeit wurde Hiroshima zu einer der wichtigsten Städte der Schwerindustrie von ganz Japan. Im ersten Sino-Japanischen Krieg (1894/95) wurde die Stadt zum Hauptquartier des Kommandos und sogar der Kaiser und die Regierung verlegten zeitweilig ihren Sitz nach Hiroshima. Durch den Krieg und die Lage der Stadt wurde sie dann auch zu einem der wichtigsten Militärstützpunkte und -produzenten des Landes, ein weiteres Mal verstärkt im Russisch-Japanischen Krieg 1904/05. Auch war während des 1. Weltkriegs auf einer Insel in der Hiroshima-Bucht ein größeres Kriegsgefangenenlager für Soldaten der Mittelmächte eingerichtet.
Auch heute noch ist Hiroshima, trotz des Atombombenabwurfs, ein großes und wichtiges Industriezentrum des Landes, so wurde unter anderem der Autohersteller Mazda hier gegründet und hat auch noch immer sein Hauptquartier und wichtige Stätten in der Stadt.

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